Was, wenn der 1.CfR Pforzheim anklopft?
Die Spvgg Berneck/Zwerenberg trifft im WFV-Pokal auf den FSV Waldebene Ost, der
2027 von den Stuttgarter Kickers übernommen wird. Wie würde man in Berneck auf
solch ein Angebot reagieren? Trainer Manuel Gall gibt Antworten – und blickt auch auf
die allgemeine Struktur des Frauenfußballs.
ALTENSTEIG-BERNECK Der württembergische Frauenfußball befindet sich im Umbruch. Sehr
sichtbar wird das anhand der kürzlich bekanntgegebenen Übernahme des FSV Waldebene Ost durch
die Stuttgarter Kickers ab 2027. Auf eben diesen Verein trifft die Spvgg Berneck/Zwerenberg am
Donnerstag (19.30 Uhr) im WFV-Pokal. Was hält ihr Trainer Manuel Gall von diesen Veränderungen?
Im Gespräch mit unserer Redaktion blickt er auf die Entwicklungen im Frauenfußball allgemein und
speziell bei der Spvgg Berneck/Zwerenberg.
Herr Gall, im Achtelfinale des WFV-Pokals spielen sie gegen den FSV Waldebene Ost. In zwei
Jahren wird diese Mannschaft einen anderen Namen haben: Stuttgarter Kickers. Ähnlich hat es
der VfB Stuttgart mit dem VfB Obertürkheim gemacht. Wie bewerten Sie diese Entwicklung im
württembergischen Frauenfußball?
Meines Erachtens ist der Frauenfußball nach wie vor auf dem Vormarsch. Es ist schön zu sehen,
dass er immer mehr Beachtung findet und wertgeschätzt wird. Das wurde leider viel zu lange
vernachlässigt. Daher sind große Vereine berechtigterweise sehr daran interessiert, Lizenzen
aufzukaufen, um bessere Einstiegschancen in höherklassigen Ligen zu erhalten.
Was passiert, wenn eines Tages zum Beispiel der 1.CfR Pforzheim anklopft und die
Frauenmannschaft der Spvgg Berneck/Zwerenberg übernehmen will?
Das ist ein eher unwahrscheinliches Szenario. Allerdings gehe ich aktuell davon aus, dass dieses
Angebot von der Vereinsführung abgelehnt werden würde. Wir sind ein sehr traditionsbewusster
Verein und legen großen Wert auf ein positives Miteinander. Daher stehen andere Dinge wie
Nachhaltigkeit, Gemeinschaft, Verlässlichkeit, Ausbildung bei uns über dem maximalen Erfolg.
Die Spvgg Berneck/Zwerenberg besitzt keine zweite Mannschaft. Das gilt als großes Manko.
Warum genau wäre die so wichtig?
Eine zweite Mannschaft bietet mehrere positive Aspekte. Spielerinnen, welche in der ersten
Mannschaft nicht regelmäßig zu Einsatzzeiten kommen, könnten dort Spielzeit sammeln und
bleiben nicht auf der Strecke. Für Jugendspielerinnen, welche aus dem B-Juniorinnen-Bereich
kommen, ist der Sprung direkt in den Aktiven-Bereich oft eine große Hürde. Da könnte eine zweite
Mannschaft ein gutes Bindeglied darstellen. Auch langzeitverletzte Spielerinnen hätten hier die
Möglichkeit, wieder Fuß zu fassen und Anschluss zu finden. Die oberste Prämisse sollte sein, jeder
Spielerin, die Fußball spielen möchte, Einsatzzeit im Wettbewerb bieten zu können.
Zweites Manko: Die B-Juniorinnen der Spvgg Berneck/Zwerenberg spielen nur in der
Bezirksstaffel. Was muss strukturell passieren, um das zu ändern?
Ich glaube, dass wir momentan auf einem guten Weg sind. Wir haben sehr gute Jugend-Trainer,
welche abwechslungsreiches und inhaltlich wertvolles Training anbieten. Momentan leiden wir
darunter, dass die letzten Jahrgänge relativ schwach waren und folglich nur wenig Spielerinnen den
Weg in den aktiven Bereich gefunden haben. Die Anzahl der Jugendspielerinnen der nächsten
Jahrgänge ist deutlich höher und spricht auch für die gute Jugendarbeit, die im Verein geleistet
wird.
Vereine erleben oft einen Mädchenfußball-Boom, wenn die Frauen-Nationalmannschaft große
Titel holt. Freuen Sie sich also schon auf die WM 2027 in Brasilien?
Definitiv! Ich glaube, die deutschen Fußballerinnen haben ein riesiges Potenzial und können damit
immer um Größe Titel mitspielen. Der oft nur kurz andauernde Boom ist das eine. Die Mädels durch
inhaltlich gute Einheiten und kompetente Trainerinnen und Trainer zu fördern ist meines Erachtens
der Schlüssel dafür, sie lange für den Fußball begeistern zu können.
Sie selbst haben zuletzt beim TSV Simmersfeld aktiv gespielt, die B-Junioren der SG
Nordschwarzwald trainiert und sind seit 2024 Trainer der Bernecker Frauen. Warum keine
Männer-Mannschaft?
Die anhaltende Hartnäckigkeit der Mädels hat sich ausbezahlt. Sie sind an mir drangeblieben und
haben auch weiteres Interesse bekundet, obwohl ich mich für ein zusätzliches Jahr aktiven Fußball
entschieden habe. Ich bin ein sehr fordernder Trainer, welcher immer maximale körperliche und
geistige Anwesenheit im Training erwartet. Den bedingungslosen Einsatz und die Bereitschaft,
andere Dinge dem Fußball unterzuordnen, haben mich sehr beeindruckt. Ein kleines Beispiel hierfür
sind die neuen Einteilungen der Bezirke im Herrenbereich. Hier wird über Fahrtwege von über 45
Minuten – einfacher Weg – gebruddelt, wie der Schwabe sagt. Unser weitestes Auswärtsspiel in
Deuchelried liegt bei 220 Kilometern und 2 Stunden 30 Minuten, einfacher Weg. Für mich war ganz
klar, nicht mehr selbst aktiv Fußball spielen zu wollen. Daher war der Weg in den Frauenbereich für
mich geradezu ideal.
Auffallend ist: In der Region sind oft Männer Trainer von Frauenmannschaften – so etwa auch
Holger Simon bei Ihrem Liga-Konkurrenten SV Oberreichenbach. Woran liegt das?
Prinzipiell glaube ich nicht am Geschlecht. Wenn jemand über Erfahrung und Wissen verfügt und
dieses vermitteln kann, ist das Geschlecht irrelevant. Es stimmt, dass vermehrt Männer in
Trainerpositionen tätig sind, was aber auch logischerweise daran liegt, dass im Herrenbereich rein
von der Anzahl her deutlich mehr Männer aktiv sind und waren als Frauen im Frauenbereich.
Zusätzlich tickt die biologische Uhr bei Frauen ein wenig anders, was der Flexibilität und
Zukunftsausrichtung unter Umständen im Weg stehen kann.
Apropos SV Oberreichenbach: Die beiden besten Frauen-Mannschaften aus dem Kreis Calw gehen
jetzt in ihr drittes gemeinsames Landesliga-Jahr. Wie ist das Verhältnis zwischen beiden Teams?
Ich selbst bin diesbezüglich absolut unbefangen. Im Gegenteil! Ich freue mich über die Derbys, es
fühlt sich auch auswärts fast wie ein Heimspiel an und ist eine willkommene Abwechslung zu den
weiten Auswärtsfahrten. Toll ist auch die Resonanz auf beiden Seiten. Das sind zumeist Spiele, die
sehr gut besucht werden und es ist schön, wenn dem Frauenfußball diese Wertschätzung
entgegengebracht wird. Die Mädels kennen untereinander teilweise schon von klein auf. Klar neckt
man sich da hin und wieder.
Das Derby gegen den SV Oberreichenbach steigt am 9. November – in Berneck. Auf welchem
Tabellenplatz werden Sie dann stehen?
Das möchte ich tatsächlich nicht an einem Tabellenplatz fest machen, um unnötigen Druck zu
vermeiden. Da wir uns aktuell mitten in einem Umbruch befinden, ist es sehr wichtig junge
Spielerinnen zu integrieren, Abläufe zu verinnerlichen und konstanter zu werden.
Verletzungsbedingte Ausfälle und Spielerinnen, welche durch Karriereende nicht mehr zur
Verfügung stehen, treffen kleine Kader immer sehr schwer. Dazu gehören wir leider. Wünschen
würde ich mir, dass beim Aufeinandertreffen der Fußball im Vordergrund steht und beide
Mannschaften nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben. Es ist jedes Mal aufs Neue ein
Highlight für die ganze Region.
Das Gespräch führte Tim Geideck.